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Report „Tageswoche“, Hans-Jörg Walter (Text) und Reto Jeltsch (Bild) / 11.12.2013

 

Zeitmaschine: Mit dem Spaceshuttle zum Powerpoint

Die pixeligen Freizeitaktivitäten eines Computergrafikdesigners im Jahre 1988.

Die Firma Genigraphics erhielt 1973 von der Nasa den Auftrag, Soft- und Hardware für einen Flugsimulator zu entwickeln, mit dem sich Flüge mit den kommenden Spaceshuttles simulieren liessen. Daraus entstand als Nebenprodukt eine der ersten Plattformen zur digitalen Bildverarbeitung.
Die neue Technik kam rasch auch in der Privatwirtschaft zum Einsatz, und zwar zunächst zur Herstellung von Computergrafiken für Firmenpräsentationen. Umsatzsteigerungen und Gewinne sollten in topmodernen Kuchendiagrammen und Infografiken visualisiert werden. Damit brach eine neue Ära an: Zuvor hatte man die Präsentations-Dias und -Folien in langwieriger Handarbeit gestaltet und reingezeichnet.

(Foto: AGX 2000/Computer graphic Workstation, OFFICE ENGINEERING, 1987)

1988 arbeitete mein Kollege Reto Jeltsch als «Computergrafikdesigner» in einer Agentur in Binningen. Diese investierte die stattliche Summe von einer halben Million Franken in eine Computeranlage, bestehend aus einer professionellen Fernsehkamera zum Abtasten von Bildvorlagen (Scans), einem mit einem 60-Megabyte-Speicher ausgerüsteten Grossrechner der Firma IBM, einem farbigen (!) Röhrenmonitor, einem Lichtgriffel (der Vorgänger der Maus) und einem Diabelichter (Auflösung: 4000 Zeilen), um die Resultate auf Diafilm zu belichten. Kunden waren Grossbanken, Versicherungen und Werbeagenturen, die für Firmenpräsentationen Computergrafiken benötigten.

(Foto: Geschäftsgrafiken, Beispiele)

Jeltsch bearbeitete Bilder und Grafiken mithilfe einer prähistorischen Form von Photoshop und Illustrator. Er experimentierte in seiner Freizeit an der teuren Maschine, veränderte eigene Kreationen Pixel für Pixel. Ein Jugendportrait seiner Mutter (Abbildung) rasterte er auf und montierte grafische Elemente ins Bild.
Diese Resultate haben uns damals sehr fasziniert, sie rochen nach Zukunft und deuteten darauf hin, dass sich vieles verändern würde. Das passierte dann auch. Die Veränderungen waren allerdings nicht unbedingt im Interesse des Geschäftsinhabers und Besitzers der teuren Apparatur: Denn nun kamen die – wesentlich billigeren – Desktopcomputer auf den Markt und eroberten die Werbeagenturen und die Grafikateliers im Nu. 1990 erschien Adobes Photoshop 1.0 und veränderte die grafische Welt rasant.
Die buchhalterisch nicht ganz abgeschriebenen Grossrechner wurden entsorgt und mit kleinen günstigen Macintosh-Rechnern ersetzt. Schnell lernten Grafiker mit den neuen Möglichkeiten umzugehen und entsprechend radikal veränderte sich auch die visuelle Sprache in der Kommunikation.
1987 liess Microsoft Genigraphics die Vorlagen für ihr neues Programm Powerpoint herstellen. Einige davon sind noch heute in der aktuellen Powerpoint-Version anzutreffen.

 

 

Im Artikel enthaltenes Bildmaterial:

 

 

 

 

 

 

© „Forte“, Nr. 3, September 2001, Vierteljährliche Publikation/Magazin der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft, S. 25

Gedankenskulpturen in Basel

Fotoabbildung über Text (7.5 x 8 cm)

Reto Jeltsch ist Künstler und er hat MS. Vom sechsten bis 30. September findet eine größere Einzelausstellung seiner Werke in der Gundeldinger Kunsthalle am Baumgartenweg 11 in Basel statt. Reto Jeltsch hat sich in den letzten Jahren vor allem einen Namen gemacht mit seinen Gedankenskulpturen. Gedankenskulpturen sind, so Jeltsch selber, gedankliche Vorstellungen eines Objektes, die über Worte definiert werden. Form, Größe und Beschaffenheit des Materials werden aber nicht materiell umgesetzt, sondern bestehen nur in der Fantasie des Betrachters. Dazu brauche es, betont Jeltsch, die Bereitschaft des Betrachters, sich auf diese Gedankenspielerei einzulassen. Ganz alleine lässt der Künstler die Betrachter allerdings nicht mit ihren Gedankenspielereien. Die Betrachterinnen und Betrachter finden durchaus reale Objekte in der Ausstellung vor. Bindeglieder, Hilfsmittel zwischen der sichtbaren, materiellen Ebene und der gedanklichen Ebene. Es sind dreidimensionale Schriftbildobjekte, die es auch den weniger Fantasiebegabten unter uns ermöglichen sollen, in die Welt der Vorstellungen einzudringen.

 

 

 

 

 

 

© Basler Zeitung, Agenda; 13.09.2001; Nummer 37; Seite 15/Expositions/Reto Jeltsch – eine Retrospektive in der Gundeldinger Kunsthalle



Bildringen

Von ADRIAN AEBI

Mit «Retrospektiv: Jeltsch» zeigt die Gundeldinger Kunsthalle Werkstationen eines faszinierenden Künstlers mit bewegender Lebensgeschichte und einem unbändigen Ausdruckswillen, der sich über die Jahre in immer neuen Medien und Techniken manifestiert hat: Reto Jeltsch, 1963 in Basel gebürtig, zwischenzeitlich in den USA, nun in Basel lebend und arbeitend.
Ausgehend von Objekten zum Thema Zeit in den achtziger Jahren führte ihn sein Weg über expressive Malerei und Experimente mit Fotografie und Video zum Konzept einer imaginären Kunst. Die Einsicht in die Unmöglichkeit einer abschliessend gültigen Materialisation der künstlerischen Idee brachte Jeltsch in den frühen Neunzigern zu Versuchen mit «Gedankeninstallationen», die in ihrer Anlage eine gewisse Verwandtschaft mit Arbeiten von Yoko Ono haben.
Der unabhängige Weg Jeltschs zur Loslösung vom Material lässt sich jedoch in den grosszügigen Räumen der Gundeldinger Kunsthalle deutlich nachvollziehen. So wird das Ringen mit dem Material eindrücklich erfahrbar. Die mittelformatigen Gemälde beschäftigen sich mit persönlichen Krisenerfahrungen, die sich gegen eine Darstellung zu sperren scheinen. Die Leinwände und Holzplatten sind immer wieder von neuem mit Schwarz, Weiss und Rottönen überzogen, die Farben sind teilweise wieder weg-, Linien wie Schriftzeichen eingekratzt.
Fast ausschliesslich auf Sprache reduziert ist dann die frühe «Gedankeninstallation» «Schneefall». Greifbar ist hier nur mehr ein beschriftetes Täfelchen und eine mit schmalem Klebeband markierte Fläche am Boden. Das Werk entsteht allein in der Phantasie des Betrachters. Von solch radikaler Reduktion auf die Mittel der poetischen Evokation ist Jeltsch wieder abgekommen. Die Vorstellungskraft inspirierende Texte sind nun auf Plexiglas montiert und hinter Mattglasscheiben in quadratischen Schaukästen untergebracht. Dies soll Anreiz und gleichzeitig Erleichterung für das Eintauchen in die von Jeltsch umrissenen Gedankenwelten sein, die heute, anders als in den früheren Arbeiten, von einer entspannten, gar optimistischen Stimmung geprägt sind.
Gundeldinger Kunsthalle, Basel, Baumgartenweg 11. Bis 20. September, Do/Fr 14-19, Sa/So 14-18 Uhr

Im Artikel enthaltenes Bildmaterial:

„Man, Animal. Urge“, 1992

pdf/Original Artikel BaZ

 

 

 

 

 

 

© Basler Zeitung / Mittwoch, 28.10.1998 / Rubrik: Basel Stadt, S.35


Verkörperung von Gedanken

 

Konzeptuelle Kunst ganz eigener Prägung zeigt Reto Jeltsch in der Galerie Ximo 43
 

Fotolegende: Das Wort “ Sculpture“ als Materialisierung des Gedankens, der am Anfang einer Skulptur steht/Foto zVg (Abbildung Foto/Bildgrösse: 7, 7 x 15 cm)

Gedankenbilder, -installationen, Bildobjekte: Schwer zu definieren, was Reto Jeltsch in seiner künstlerischen Arbeit macht, auf den Betrachter wirksam sind die schlichten Werke aber allemal. Mitten in einem matten Weiß taucht – flach im Raum schwebend – ein Wort auf, „Dive“, „Stille“ oder ein programmatisches „Sculpture“. Was technisch relativ einfach ist – zwei Mattglasscheiben sind vor respektive hinter einer Plexiglasscheibe mit aufgeklebten Buchstaben montiert, wodurch der Eindruck von räumlicher Tiefe und von Mehr-als-ein-Bild entsteht -, dieses Einfache fusst auf konzeptuellen Überlegungen, die Jeltsch seit ein paar Jahren beschäftigen. 1992 heiratete er eine Amerikanerin und ging für zwei Jahren in die Vereinigten Staaten, sein großes Atelier musste er zurücklassen. „Gedankenskulptur“ hiess jetzt das orts- und atelierunabhängige neue Stichwort, das seine künstlerische Arbeit bestimmen sollte. Damit, so Jeltsch (Jahrgang 1963), habe sich auch die Hoffnung verbunden, das herkömmliche Muster von Ausstellungen mit aktivem Künstler und passivem Betrachter aufzubrechen.
Diesem Ansatz leben in unterschiedlicher Ausprägung auch die Werke nach, die zur Zeit in der Galerie Ximo 43 (Feldbergstraße 43) zu sehen sind. Das in halbtransparentem, halb intransparentem Weiss aufscheinende Wort „Sculpture“ ist die Materialisierung des Gedankens, der am Anfang einer Skulptur steht. Die Buchstaben werden so selber zur (scheinbar) dreidimensionalen Skulptur, sie verkörpern jetzt einen Gedanken. „Weiss steht für den starken gedanklichen Ansatz in meiner Arbeit“, sagt Jeltsch: Dass das Wort nicht wirklich greifbar in seinem Rahmen erscheint, ist ebenfalls programmatisch, denn auch Gedanken sind nicht wirklich fassbar.
Konkret ist hingegen eine weitere Spielart dieser Konzeptkunst, die ebenfalls an der Ximo-Ausstellung zu sehen ist: Auf einem schmalen Sockel liegen Karten auf, die zur Kunst auffordern: “ Visualize all static matter in the environment“, natürlich in Weiss, ist da zu lesen.
Teil der Ausstellung sind last but not least auch ein Textband und eine CD, auf der experimentelle „ambient“-artige Musik zu hören ist. Der lose Bezug zu den Objekten: die (Klang-) Schichtungen.

Georg Schmidt

 

Bis 7. November. Di und Do 19 – 21 Uhr, Fr und Sa 15 – 18 Uhr. Oder nach Tel. Vereinbarung. Am Donnerstag, 5. November findet ab 20 Uhr eine Lesung mit Reto Jeltsch, Flavia Ghisalberti, Peter Braunsteiner, Stephan Anastasia und Daniel Staudenmann statt (Fussnote).

 

 

 

 

 

 

© BZ / Basellandschaftliche Zeitung, Rubrik: Dorneck/Thierstein, Donnerstag, 17. Februar 1994, S. 23

„Es gibt nicht nur eine einzige Realität“
 

von Jean-Marc Pache
 
Der in Breitenbach geborene Künstler Reto Jeltsch will Gedanken-Skulpturen schaffen

Reto Jeltsch ist ein kreativer Mensch: er malt, fotografiert, dichtet und hat sich auch mit dem Computer befasst. Nach einer Phase emotioneller Malerei will er sich nun vermehrt mit Konzeptkunst befassen.

Breitenbach. Reto Jeltsch ist ein vielseitiger Künstler. Der 1963 in Breitenbach geborene 30-jährige malt nicht nur, sondern ist auch in anderen visuellen Bereichen tätig: Er fotografiert, hat sich früher intensiv mit Computergrafik und dem Digitalisieren von Bildern befasst. Nebenher dichtet er und ist durchs Malen wieder stärker zum „Handwerk“ zurückgekehrt. Seine oft in braunroten Tönen gehaltenen Bilder erinnern den Betrachter an Terrakottatafeln, in welche Symbole, Hieroglyphen und schemenhafte Gebilde eingeritzt sind, oder an eine Schiefertafel, auf der schwer verständliche Formen und mathematische Gleichungen mit Kreide aufgemalt worden sind. Die Bilder sind jedoch ausnahmslos mit Acrylfarben geschaffen und leben von einer spontanen Dynamik und heftigem Pinselstrich. Die Muster sind im Ritztechnik ausgeführt und lassen hinter den dicken Farbschichten die weiße Grundierung hervorscheinen. Vor einigen Jahren hat Reto Jeltsch ganz anders gemalt. „Ich habe mich vor allem versucht, Zeit darzustellen und Zeitobjekte, darunter auch Uhren, zu schaffen“, erzählt der Künstler. Diese früheren Bilder wirken landkartenartig, eher dekorativ und sind oft in unvergänglichen Farben wie Gold und Silber gehalten.

Heute steht Reto Jeltsch bereits wieder an einem Wendepunkt. „Ich bemühe mich darum, mich weiter zu entwickeln, neue Techniken und Materialien auszuprobieren und frische Ideen zu verwirklichen, erklärt er, „Stillstand will ich vermeiden.“ Auch will sich der Künstler nie in ein bestimmtes Schema einordnen lassen: „Die Freiheit ist mir wichtig“. In Zukunft will der 30-jährige sich vermehrt mit Konzeptkunst auseinandersetzen und auch die Sprache wieder in seine Werke und Objekte einfliessen lassen.
„Ich will das Material möglichst reduzieren und in eine geistige Ebene vordringen“, betont Reto Jeltsch. Als „Gedankenskulpturen“ bezeichnet er solche Objekte, die den Betrachter aktivieren, eine Reaktion und dadurch einen neuen Kunstprozess auslösen sollen. „Ideen machen Sinn“, hält er dem Besucher entgegen. Eines dieser neuen Objekte ist ein schlichter Holzrahmen. Hinter einem Milchglas ist auf weißem Grund das Wort „Skulptur“ auszumachen. Solche Objekte, die zur Meditation über Kunst im weitesten Sinne anregen, will der Künstler noch mehr kreieren. Durch seine amerikanische Frau ist Reto Jeltsch mit den USA in Berührung gekommen: Er hat ein Jahr lang in New York gewohnt und dort auch ausgestellt. „Im Gegensatz zu den schweizerischen Galeristen sind die Amerikaner offener. Das heißt aber bei weitem noch nicht, dass bei ihnen die kommerziellen Interessen weniger im Blickpunkt stehen“. In New York gibt es rund zweihundertfünfzig Galerien und der Kunstmarkt ist entsprechend umkämpft. „Ich habe vor allem davon profitiert, dass ich als Schweizer dort als Exote angesehen wurde. Ansonsten sind auch in den Staaten alle Stilrichtungen vertreten. Zum Erfolg gehört eine große Portion Glück.“ Obwohl Reto Jeltsch das Klima in New York als ungesund und hektisch bezeichnet, möchte sich in einigen Jahren wieder in dieser Metropole aufhalten. Der Künstler malt nicht in erster Linie, weil er Bilder verkaufen will. Das Kreative sprudelt einfach quasi aus ihm heraus, will verarbeitet sein und drängt ihn gleichsam zum Tätig sein. Bis vor kurzem hat Reto Jeltsch noch sehr virtuos, aus der jeweiligen Stimmung heraus gemalt. Jetzt hat er sich wieder mehr auf eine intellektuelle Ebene verlegt.

Ob es ihm gelingen wird, sich auch in diesem Bereich mitzuteilen, bleibt vorläufig offen. Für den Künstler ist jedoch ein Umstand wesentlich: „Es gibt nicht nur eine Realität“. Dies zeigen auch seine vielseitigen Werke, welche momentan im Alterszentrum „Bodenacker“ ausgestellt sind.

 

Rahmentext (inks unten):

Reto Jeltsch persönlich

jmp. Reto jeltsch bezeichnet sich selbst als Autodidakt. Er ist 1963 in Breitenbach geboren und lebt heute in Allschwil. Ursprünglich als Kaufmann ausgebildet, hat er sich bereits in jungen Jahren auf verschiedenen Gebieten kreativ betätigt. Seit 1991 wurden seine Werke in Gruppenausstellungen und Einzelausstellungen in der Schweiz und den USA gezeigt. *

* Textkorrektur/Richtigstellung: Reto Jeltsch wurde in Basel geboren und nicht in Breitenbach, wie im Artikel fälschlicherweise beschrieben

 

 

 

 

 

 

© ArtSpeak (A New York Monthly Gallery Review, vol XV, Nr. 7, New York City, April 1993)

Art, not propaganda rules at Abney Galleries / SoHo, NYC

By Sean Simon

Group-show with Juan Aresti, Miguel Bustingorri, Paul Gardener, Carol Godding Paquet, Reto Jeltsch, Dominique Rietzler and Bertram Samuels

…Reto Jeltsch employs linear elements to create intricate spaces and abstract rhythms. Jeltsch’s subdued colors seem to shimmer with an inner light, suggesting mystical meanings beneath the purely visual pleasures projected by these lyrical acrylics on wood.

Photograph:



Reto Jeltsch, „Did U Evah Think of That?!“, 1992, acrylic on wood, 70 x 70 cm

 

 

 

 

 

 

Report in der Zeitschrift/Photomagazin „Photographie“, November 1988 / Artikel von Urs Tillmanns

 

Vom Foto zur Computer Grafik

Mit Monitor und Lightpen

 

Computer werden immer wichtiger. Sie sind aus unserem Alltag im Bürowesen, in der Industrie, aber auch im Privatbereich kaum noch wegzudenken. Dass die Datenverarbeitung auch zur Kreativität ein geeignetes Medium sein kann, mit dem Fotos auf dem Bildschirm beliebig verfremdet, verändert und mit Effekten aufgewertet werden können, soll dieser Artikel über Arbeiten von Reto Jeltsch aufzeigen.

In der Fotografik beginnt ein neues Zeitalter: Effekte und Veränderungen, die bisher mit stundenlanger Arbeit in der Dunkelkammer gelöst werden konnten, mit Kopieren Montieren und Umkopieren, oder die mit Pinsel und Spritzpistole auf einem großen Positiv entstanden waren, werden heute auf dem Bildschirm mit dem Lichtstift erzeugt.

Das ist in der Werbung kein Neuland mehr, denn leicht können heute mit dem Computer mehrere Bildelemente zu einem völlig neuen Bild zusammengefügt werden. Oder ein bestimmter Bildteil, ein Kleid oder ein Auto, erstrahlt plötzlich nicht mehr in einem ruhigen Hellblau, sondern in einem aufregenden knallrot, wie das der Werber in seinem Layout vorgesehen hat. Die Kosten für solche elektronische Retuschen betragen einen Bruchteil des Aufwandes, der mit konventionellen fotomechanischen oder manuellen Arbeitsmethoden erforderlich ist. Ja noch mehr: es werden mit dem Computer Dinge möglich, die auf andere Weise an die Grenze der Realisierbarkeit stoßen oder mit großen qualitativen Einbußen verbunden sind. Und dabei soll die Computer-Technologie noch um ein Vielfaches entwickelbar sein und in Zukunft immer mehr bieten…

Entscheidend ist der Mensch
„Nicht der Computer ist maßgebend, sondern der Mensch, der diese moderne Technik bedient“, sagt Hans-Peter Handschuch, Inhaber der Office Engineering AG in Binningen bei Basel. Er hatte vor einiger Zeit die Marktlücke der Computergrafik entdeckt und sich darin selbstständig gemacht. Heute bietet die Firma ihren Kunden, Banken, Versicherungen, Industrien und Werbeagenturen, einen umfassenden Service mit Computergrafik und Desktop-Publishing. Von Computerdarstellungen auf Dia oder Projektionsfolien bis zum auf dem Bildschirm gestalteten Geschäftsbericht. Einen großen Teil der täglichen Arbeiten umfassen Überarbeitungen und Bildgestaltungen, wie sie eingangs beschrieben wurden. Die Anlage, mit welcher diese Arbeiten bewerkstelligt werden, besteht aus einem Rechner der amerikanischen „Genigraphics“ mit entsprechender Software und einer Reihe von Peripheriegeräten. Von der Videokamera zum Einlesen der Vorlagen bis zur Kathodenstrahlkamera zum Belichten der Dias. Investitionssumme: über eine halbe Million Schweizerfranken. Um das Gerät innerhalb von drei Jahren abschreiben zu können, arbeiten die Spezialisten in drei Schichten rund um die Uhr. Einer von ihnen ist Reto Jeltsch.

Computer: Mittel zum Zweck

Jeltsch ist Autodidakt. Er ist aus seinem Hobby zur Fotografie gekommen, hat aber seine Ideen ebenso mit dem Pinsel auf der Leinwand als auch mit der Videokamera zum Ausdruck gebracht. „Die Technik interessiert mich eigentlich wenig. Sie ist für mich reines Mittel zum Zweck und dient mir dazu, meine Gedanken in Bilder umzusetzen“, erklärt Jeltsch. Eine interessante Aussage von jemanden, der täglich mit den modernsten Geräten unserer Zeit arbeitet.
„Der Computer dient mir dazu meine Fotos zu verändern und zu perfektionieren“ meint Jeltsch. „Effekte, die andere Fotografen in ihrem Labor oder mit dem Diakopiergerät erreichen, kreiere ich auf dem Bildschirm. Aus Freude am Design und am spielen mit diesem modernen Medium. Auch wenn längst nicht alle Ergebnisse durch Ästhetik überzeugen, faszinieren mich die immer neue Möglichkeiten.“

Ein Bild aus Bits und Bytes
Der erste Arbeitsgang findet mit einer professionellen Videokamera statt. An einer Repro-Einrichtung montiert, dient sie dazu, die Vorlage, ein Papierbild, Negativ oder Dia einzulesen, bzw. innerhalb einer Fünfundzwanzigstelsekunde zu digitalisieren. Das Bild erscheint auf dem Monitor und kann zunächst bezüglich Farbe und Kontrast in seiner Gesamtheit korrigiert oder verändert werden. Nun beginnt die eigentliche Arbeit auf dem Grafiktableau mit dem Lichtstift. Damit kann jeder beliebige Bildpunkt angefahren und markiert werden. Oder es können Bildpartien begrenzt werden, deren Inhalt verändert, zum Beispiel mit einer anderen Farbe ausgelegt werden soll. So wird zum Beispiel auch ein Objekt freigestellt oder mit einer anderen Hintergrundfarbe versehen. Auf Knopfdruck erscheint eine Farbpalette und eine Strukturenreihe auf dem Bildschirm, aus der eine Farbe oder eine Textur angewählt werden kann. Zurück ins Bild, ein Druck auf die Funktionstaste, und die Bildpartie erscheint rot, zeigt einen Rasterton oder einen perfekten, gleichmässigen Verlauf. Um mit dem Lichtstift auch feine Details genau umranden oder verändern zu können, lässt sich jede gewünschte Partie auf dem Bildschirm herauszoomen und in extremer Vergrößerung bearbeiten. Ähnlich wie beim Kolorieren, oder wie bei einer Vollretusche, wird auf diese Weise das Gesamtbild überarbeitet. Dabei kann man entweder die Charakteristik des fotografischen Bildes beibehalten, oder völlig, bis zu einer rein grafischen Darstellung, verändern. Während Jeltsch eines seiner Bilder bearbeitet, das er übrigens einem simplen Schwarzweiß-Kontakt Bogen mit der Videokamera entnommen hatte, kommen mir die Worte von Hans-Peter Handschuch wieder in den Sinn: „Nicht der Computer ist maßgebend, sondern der Mensch der ihn bedient!“ Was Reto hier mit dem Lichtstift zeichnet, wie er das Bild manuell nach seinem Farb- und Formempfinden verändert, ist die akribische Arbeit eines Künstlers. Sie hat mit dem Computer direkt nichts zu tun.

Aus dem Rechner auf den Diafilm
Das Ergebnis lässt sich im Rechner abspeichern und jederzeit wieder aufrufen, sei es zur Weiterbearbeitung oder zur Ausgabe des Endproduktes. Dazu ist ein weiteres Peripheriegerät notwendig: die Kathodenstrahlkamera. Sie berichtet den Film zeilenweise durch einen Rot-, einen Grün- und einen Blaufilter, wahlweise mit 4000 Linien auf einem kleinen Bild, oder mit rund 8000 Zeilen auf einem Planfilm im Format 4×5 Inch. Als Filmmaterial wird ein üblicher E6-Diafilm mit ISO 100/21x verwendet. Für die Arbeiten von Jeltsch reicht die 4000–Zeilen-Auflösung auf dem Kleinbildfilm vollends. Werden jedoch höhere Ansprüche gestellt, zum Beispiel große Darstellungen für qualitativ hochwertige Drucksachen, so greift man zum 4×5“-Ansatz des Gerätes. Dieses Grossbilddia ist dann das Basismaterial der Lithoherstellung, oder man fertigt, zum Beispiel im Business Bereich, A4-Duplikate für die Hellraumprojektion an. Die Zukunft wird einen neuen Weg zeigen: die Diskette mit den digitalisierten Bilddaten werden direkt in eine Satzanlage eingelesen, verarbeitet und gelangen ohne Zwischenprodukt auf die Druckplatte. Zwar noch etwas Zukunftsmusik, aber falls die Entwicklung tatsächlich diesen Weg geht, sind Bild Korrekturen jeder Art einfach über den Bildschirm möglich.

Computer-Bilder – eine neue Welt
Die Idee, dass Bilder aus dem Computer kommen, die Tatsache, dass Künstler wie Reto Jeltsch einen Computer benutzen, um ihren Fotos die gewünschte, effektvolle Aussage verleihen, mag viele Leser als Zeichen der Zeit etwas nachdenklich stimmen. „Auch ich bin dem Computer früher mit aller Skepsis begegnet“, gesteht Jeltsch, „aber als ich mich für meinen Beruf entschieden hatte, und sah, welche Möglichkeiten die elektronische Datenverarbeitung im Bildbereich bietet, stellte diese Aufgabe für mich eine völlig neue Herausforderung dar. Neben meiner täglichen Arbeit mit Kundenaufträgen, kann ich meine persönlichen Bilder mit dem Computer so generieren, wie ich will. Das ist neben dem Fotografieren eine ganz entscheidende Phase meines Schaffens. Ich versuche immer wieder neue Wege zu gehen und zu ungewöhnlichen Resultaten zu kommen. Um es einfach zu sagen: das fotografische Bild ist heute für mich oft nur noch die Grundlage zu einem völlig neu gestalten Endprodukt. Das führt auch beim Fotografieren zu einer völlig neuen Denkweise und auch Arbeitsweise: Im Sucher sehe ich zwar ein reelles Bild, aber in meiner Gedankenwelt bin ich schon einen erheblichen Schritt weiter – ich sehe schon das umgestaltete Produkt auf dem Bildschirm vor mir“.
Natürlich eignen sich nicht alle Motive gleichermaßen, um auf dem Bildschirm überarbeitet zu werden. Reto hat auch einen Motivbereich, der ihm für seine gestalterische Arbeit geradezu prädestiniert erscheint: die Aktfotografie. „Sie ist mein Lieblingsthema. Wohl deshalb, weil sie zu den klassischsten Themen der Fotografie und der Malerei gehört. Die Verbindung eines klassischen Themas mit der modernen Technologie fasziniert mich besonders, und die Darstellung der Schönheit des menschlichen Körpers lässt mir auch bei der Bildbearbeitung einen uferlosen Spielraum. Spielraum im wahrsten Sinne des Wortes, denn oft verbringe ich Stunden damit, Effekte auf dem Bildschirm zu erproben. Ich spiele mit völlig unrealistischen Hintergründen, lasse den Körper davor in Komplementärfarben erscheinen, ziehe harte Konturen hinein, und wenn mir das ganze nicht mehr gefällt, so fahre ich mit dem Lichtstift auf „undo“, und der Bildschirm zeigt wieder das ursprüngliche Bild. Dann beginnt das Spiel wieder von Neuem…“.
In dieser Arbeitsweise – im Spielen mit dem Computerbild – zeigt sich das Medium Fotografie aus einer völlig neuen Warte. Effekte können ohne großen zeitlichen und materiellen Aufwand ausprobiert und dadurch optimiert werden. Hinzu kommt, das Miteinbeziehen fremder Elemente grafischer Art, Zweitbilder und Drittbilder, die leicht auf dem Bildschirm zu einer völlig neuen Darstellung kombiniert werden können, oder Textzeilen, welche die Gestaltung von wertvollen Plakaten und anderen Drucksachen ermöglichen. Ein fast unendliches Feld von Anwendungsmöglichkeiten, die auf einem Bildschirm entstehen und als perfektes Dia ausgedruckt werden können. Unschwer die Überlegungen, dass der Computer in den nächsten Jahren noch viel in Bewegung bringen wird.

Bestimmen Computer unsere Zukunft?

Die Computertechnologie wird in den nächsten Jahren rasante Fortschritte machen, und was heute das halb Millionen Ding von Genigraphics oder ähnlichen Geräten von anderen Herstellern bieten, wird bald einem breiten Anwenderkreis zur Verfügung stehen. „Das ist sogar heute schon ansatzweise der Fall“, bemerkt Hans-Peter Handschuch. „Mit einem einfachen Personal Computer können sie im beschränkten Rahmen schon Bilder bearbeiten, nur ist der Ausdruck qualitativ mehr als dürftig. Man kann natürlich auch den Bildschirm wieder abfotografieren und erhält auf diese Weise mit einem hochauflösenden Monitor ein besseres Resultat. Das ist aber alles Spielerei. Wenn man sich ernsthaft damit befassen will und professionelle Ansprüche stellt, so beginnt die Investition mit einer Viertel Million- und nach oben ist alles offen“. Handschuch weiß auch, dass er in den nächsten Jahren immer mehr Konkurrenz erhalten wir, von Werbeagenturen und Grafikern, die sich ebenfalls mit solchen Anlagen ausstatten. „Das Kapital für die Zukunft bauen wir uns heute auf, nämlich mit Fachwissen und Erfahrungen, mit denen wir unsere Mitbewerbern hoffentlich immer eine Nasenlänge voraus sein werden. Das wichtigste dabei ist nicht die Anlage oder die Software, sondern die Leute, die damit umgehen“.
Wo führt diese Entwicklung der Computer hin? Welche Möglichkeiten bieten Computer der nächsten und übernächsten Generation – in zehn, zwanzig Jahren? „Ich weiß es nicht“, sagt Handschuch. „Der Computer wird wahrscheinlich zur eierlegenden Wollmilchsau, zu einem System, das alles kann. Sprache, Daten, Bild, Text und Grafik – das sind fünf Kommunikationsbereiche, die sich irgendwann im Computer miteinander verknüpfen werden.
Wann das sein wird kann ich Ihnen nicht sagen. Auch der Datenübertragung kommt gerade im grafischen Bereich und in der Büroautomation immer mehr Bedeutung zu. Datenkommunikation ist für viele Computerfirmen noch ein Fremdwort, aber in Zukunft werden die verschiedenen Systeme eine gemeinsame Sprache sprechen müssen. Sowohl die Hardware als auch die Software wird immer universeller und vielschichtiger. Computer werden alles können. Dann ist es wieder Sache der Benutzer, der Spezialisten, jene Bereiche zu beherrschen, mit denen sie ihren Kundenstamm pflegen und ihr tägliches Brot verdienen wollen“.
Die Entwicklung im Computerbereich, welche die letzten Jahre aufgezeichnet hat, lässt darauf schließen, dass Handschuch mit seiner Vorhersage wahrscheinlich Recht haben wir. Auf jeden Fall wird das Bild je länger je mehr im Computer seinen (vorübergehenden) Platz finden, und was heute Reto Jeltsch mit seinen Bildern auf dem Monitor tut, wird eine immer verbreitetere Kunst- und Gestaltungsform werden. Hinzu kommt noch ein weiterer Impuls, welcher längerfristig die elektronische Kamera geben dürfte. Obwohl sich Fachleute einig sind, dass die elektronische Fotografie das Silberbild noch jahrelang nicht verdrängen wird, ist diese Aufzeichnungsform als eigenständiges Medium kaum aus unserer Zukunftsvision wegzudenken. Die Bilder werden damit nicht mehr auf einem lichtempfindlichen Film registriert, sondern über einen Sensor auf einer Mini-Diskette. Sollte dieser Sensor irgendwann erheblich besser werden, als er zur Zeit im Versuchsstadium schon ist, erlangt erlangt das Zukunftsmedium allmählich die langersehnte „Stubenreinheit“. Es wäre denkbar, dass Bilddaten in einem Computer gespeichert, aufbereitet, d.h. qualitativ verbessert und dann direkt verwendet werden können, sei es als Papierkopie, als Diabelichtung oder zur Weiterverarbeitung im Druck.
Zurück zur Gegenwart: Jeltschs Bilder sind mit einer Technik entstanden, die sicher in den nächsten Jahren noch zu reden geben werden. Perfekte Hardware und ausgeklügelte Software wird auf den Markt kommen, welche die Fotografik weiter vereinfachen und jedermann zugänglich machen dürfte. Aber auch der beste Computer macht keine Bilder. Die Arbeit des Fotografen, das Motiv zu wählen und dieses am ausdrucksvollsten darzustellen, wird immer unverändert eine Herausforderung der Kreativität bleiben. Nur kann diese Kreativität in einer zweiten Phase künftig noch gesteigert werden – mit Hilfe des Computers, wenn wir heute seine Sprache lernen.

 

Klappentext (S.2): Reto Jeltsch ist einer der Fotografen, der seine Fotos auf dem Bildschirm mit dem „Lichtstift“ so verfremdet und mit Effekten gestaltet, wie es seinem künstlerischen Empfinden entspricht. Der Computer ist dabei die Gestaltungsfläche zwischen der Fotografie und dem fertigen Bild. Was ist mit dieser Technik möglich? Wo liegen die Grenzen? Und wie wird sich dieses Medium in (naher) Zukunft entwickeln?

Bildlegende/Text, S. 106: Mit Hilfe des Computers können gewisse Bilder in anderen Farben wiedergegeben, mit wirkungsvollen Strukturen unterlegt oder in ihren Dimensionen verzogen werden; Effekte, die mit herkömmlichen fotomechanischen Methoden um ein vielfaches aufwändiger sind.

Bildlegende/Text, S. 107: Das über die Videokamera eingelesene und digitalisierte Bild kann beliebig verändert werden: Auflösung in Pixelfelder, Kopf freistellen, partielles Einfärben, bis zur Gestaltung mit völlig neuen Bildelementen ist alles möglich.

Bildlegende/Text (S. 108): Die Aktfotografie ist das Lieblingsthema von Jeltsch. Die Verbindung dieses klassischen Themas mit der modernsten Technologie fasziniert ihn besonders, und die Darstellung der Schönheit des menschlichen Körpers lässt ihm einen uferlosen, kreativen Freiraum.

Bildlegende/Text (S. 109): Die Verfremdungstechnik kann zusammen mit zeichnerischen Elementen auf dem Bildschirm völlig neue Realisationen ergeben. Der Plakatentwurf rechts ist ein Beispiel dafür. Der Computer wird in den nächsten Jahren der gesamten Grafik neue Wege öffnen.

 

Im Artikel enthaltenes Bildmaterial (insgesamt fünfundzwanzig Abbildungen- hier eine Auswahl/Bildausschnitte):


 

 

 

 

 

Fotomagazin, Nr. 11/ November 1990, Seite 104


Pixel für Pixel manipuliert

Auf viele Fotografen wirken Bildveränderungen durch Computer wie ein rotes Tuch. Aber der Schweizer Reto Jeltsch (Allschwil) geht mit dieser Technik nicht nur so kreativ um, dass die digitale Nachbearbeitung mehr als nur wie Spielerei erscheint, sondern er verdient mit seiner Arbeit am professionellen Digitalquipment auch seinen Lebensunterhalt. Sie eignet sich für viele fotografische Gebrauchs-und Designgngrafiken. Alle hier gezeigten Bilder und ihre Variationen entstanden nach folgendem Verfahren: Mit einer professionellen Videokamera wird das Ausgangsfoto aufgenommen, in digitale Punkte aufgelöst und in einem Computer abgespeichert. Auf dem Monitor können dann zahllose Manipulationen vorgenommen werden. Dabei hilft ein Lichtgriffel. Jeder beliebige Bildpunkt oder ganze Flächen können markiert, zur Feinbearbeitung sogar herangezoomt werden, auch können Bildbereiche ausgespart und durch andere Bildinhalteersetzt werden. Zu einer der leichtesten Übungen zählen noch die Einfärbung von Flächen (-bereichen). Die Abgespeicherten Ergebnisse müssen anschließend durch eine Kathodenstrahlkamera wieder auf einen Film belichtet werden. Dabei wird das Filmmaterial zeilenweise nacheinander mit rot-, grün- und blau Filter belichtet. Die Auflösung beträgt bei Kleinbildformat 4000 Pixel (Bildpunkte), bei 9 x 12 Grossbildformat 8000 Pixel. So reizvoll die Manipulationsmöglichkeiten sind, die gesamte Anlage kostet mit Peripheriegeräten über eine halbe Million Schweizer Franken. Verblüffend ist, dass das fotografische Ausgangsbild auch ein simples Passfoto sein kann, wie das Porträt von Herrn Jeltschs Mutter beweist.

Bildmaterial, S 104: ein Großformatbild 18 x 12 cm, vierfarbig, ein Mal Kleinformatbild 6 x 9 cm, drei Mal Kleinformatbilder, je 5 x 7 cm

 

 

 

 

 

 

Foto Magazin Nr. 8, August 1991 Seite 40/41, Rubrik: IMAGE

 

Elektronische Bildbearbeitung

Manipulieren ohne Chemie. Und Farben aus dem Lichtgriffel.

Was selbst Könner in der Dunkelkammer nicht schaffen, wird für die Fotokünstler von morgen zum Kinderspiel: komplizierte Verfremdungen und Manipulationen am Bildschirm. Der Basler Fotograf Reto Jeltsch nutzt bereits heute die Technik von morgen

Der Fotograf, der einmal versucht hat, seine Bilder durch grafische Effekte in der Dunkelkammer aufzuwerten, weiß von dem mühsamen Unterfangen ein Lied zu singen. Die langwierigen Zwischenstufen, das ständige Kopieren und Montieren, die vor fortwährende Retusche, der Einsatz von Spritzpistole, Farbstiften oder Pinseln gehören hier zum dornenvollen Alltag. Jetzt haben einige Fotografen den Computer als bequemen Dunkelkammerersatz für sich entdeckt. Durch ihn sind nicht nur die Routinearbeiten wie Montage und Umkopieren einfacher geworden. Er erlaubt auch ganz neue Verfremdungstechniken und Manipulationen für die kreative Bildgestaltung. Zu den Pionieren dieser Spezies gehört Reto Jeltsch. Mit seinem Genigraphics-Computer macht er aus Fotos grafische Kunstwerke.
Die Bildvorlagen, Dias oder Aufsichtsbilder werden in den Computer über eine Videokamera aufgezeichnet, anschließend digitalisiert und in den Computer eingelesen. Nach einer kurzen elektronischen Korrektur von Helligkeit, Kontrast und Schärfe des Bildes folgt die eigentliche Arbeit des Computer-Grafikers. Über ein so genanntes Grafiktableau, ein Computerzubehör, das äußerlich verblüffende Ähnlichkeit mit einem Zeichenbrett besitzt, kann der Computer-Künstler mit einem Lichtstift jeden beliebigen Bildpunkt ansteuern und durch eine bestimmte Tastenkombination seinen Vorstellungen entsprechend verändern.
Er kann auf Wunsch beliebige Bildpartien, die er vorher mit seinem elektronischen Zauberstift markiert hat, einfach ausradieren oder an eine andere Stelle im Motiv kopieren. Auf Knopfdruck lassen sich die Farbenwechsel oder Bildpartien aus anderen Motiven dazu montieren. Er kann Motivdetails beliebig oft vervielfältigen und an jeder beliebigen Stelle im Bild in einer neuen Farbvariante erscheinen lassen. Er kann sein Bild mit unterschiedlichsten Strukturen versehen oder aufrastern. Es lässt sich strecken und stauchen, verzerren oder biegen.
Obwohl Reto Jeltsch mit hochmodernen Maschinen arbeitet, interessiert er sich eigentlich wenig für Technik. Er sieht in seinem Rechner nur ein Handwerkszeug, um seine Ideen als Designer realisieren zu können. Mit dem Rechner stößt er in Dimensionen vor, die ihm als Fotograf in der Dunkelkammer bisher verschlossen geblieben sind.
Wird eine neue Farbe gewünscht, so braucht er am Computer kein Spezialwissen über Filterwirkung, Dichten oder Komplementärfarben. Auf einer Farbskala am Bildschirmrand wählt er durch Mausklick die Farbe an, die er einem markierten Bildbereich geben möchte, und schon ist das Motiv umgefärbt. Gefällt die Wirkung nicht, genügt ein weiterer Klick, um die ganze Sache wieder rückgängig zu machen. Kein Papier, kein Film und keine Chemie muss eingesetzt werden, die ganze Manipulation ist innerhalb von Sekunden abgeschlossen. Selbst Farbverläufe, wie sie mit der Spritzpistole mühsam möglich sind, lassen sich rechnerisch auf Tastendruck bewerkstelligen. Ein weiterer Vorteil der Arbeit am Computer ist die Möglichkeit, jederzeit eine Pause einlegen zu können. Hier müssen keine Entwicklungszeiten, Temperaturen, Filter-, Belichtungs- oder Verarbeitungsvorschriften eingehalten werden. Hier kann keine Chemie umkippen. Die Arbeit kann jederzeit unterbrochen werden. Fehler lassen sich korrigieren und die Arbeitsvorlage in jedem Stadium abspeichern. Um allerdings hochwertige Prints von den Computerarbeiten zu erhalten, sind sündhaft teure Belichter erforderlich. Doch man muss nicht mit einem teuren Genigraphics-System arbeiten, um am Bildschirm seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können. Es gibt auch preiswerte Einstiegsmöglichkeiten in die Welt der Bilder aus Bits und Bytes. So bietet Canon für die ION ein PC-Kit an. Dieses Set ermöglicht die sofortige Verfügbarkeit von Still-Video-Aufnahmen für PC-Verarbeitung. Damit entfällt das umständliche Abtasten oder Scannen herkömmlicher Bilder. Die Aufnahmen der ION können direkt auf den PC übertragen werden. Voraussetzung ist ein INM–AT oder 100 % kompatibles Gerät mit 16 Bit Steckplatz und mindestens 640 KB Hauptspeicher. Für Animationen werden mindestens 1 MB empfohlen. Für die 24 – Bit – „Full Resolution“-Farbwiedergabe sind sogar 2 MB nötig. Der zum Set gehörende Digitizer arbeitet mit 16 Bit pro Farbe in 256 Abstufungen. Er liefert eine Bildschirmauflösung von 768 × 576. Der direkte Kabelanschluss an die ION-Kamera sorgt für den Strom und den Bildsignalempfang. Im Set enthalten sind neben der Kamera selbst und dem Digitizer die erforderliche Software auf 3,5 “ oder 5,25 „– Disketten, das Interface-Kabel zum Anschluss der Kamera, sowie eine ausführliche Bedienungsanleitung. Der Digitizer ist allerdings auch nur mit der Canon ION erhältlich. Die Software ist menügesteuert und arbeitet mit einer übersichtlichen, grafischen Oberfläche. Die zur Verfügung stehenden Bilder können in einem Vorschaufenster betrachtet werden, was die Bild Auswahl erheblich vereinfacht. Das komplette Set ist für weniger als 3000 Mark zu haben. So viel kostet bei anderen Systemen allein die nötige PC – Karte. So bietet die Firma Fast Elektronik zur Bildverarbeitung auf dem Computer die „Screen Machine“ an. Das System arbeitet und der sich immer mehr durchsetzenden Oberfläche von MS – Windows. Die Fast-Steckkarte erlaubt das Anhängen von beliebigen Videoquellen wie Camcorder, Videorecorder oder Videokameras und Still–Video–Systemen an den Computer. In einem Fenster von Windows ist exakt das Bild zu sehen, das die Bildquelle gerade liefert. So kann man bei der Computer-Arbeit am Computer zum Beispiel gleichzeitig das Fernsehprogramm verfolgen.

Die mitgelieferte Software der Screen Machine verfügt über die Module „Darkroom“
und „Camera“.Mit der Funktion Kamera wird der PC zum Fotoapparat, der in jedem Augenblick das auf dem Bildschirm im Fenster erscheinende Laufbild festhalten kann. Die „Camera“ wird mit der Maustaste „ausgelöst“. Anklicken genügt, und schon ist das Bild im Speicher. Es erscheint auf einem Filmstreifen unten am Bildschirm. Jetzt kann die Dunkelkammerarbeit mit dem Software–Modul „Darkroom“ beginnen. Dieses Werkzeug erlaubt die Übernahme der Bilder in eine Vielzahl von Grafikprogrammen für DTP-Anwendungen. Durch Umwandlung in ein TIFF-Format mit 256 Graustufen kann das Bild zum Beispiel in DTP – Programme wie Aldus Page Maker oder Quark-Xpress übernommen und mit normalem Laserdrucker mit einer Auflösung von 300 × 300 dpi (dots per Inch- Bildpunkte pro Zoll) ausgedruckt werden. So lassen sich Bild und Text auf Mausklick miteinander kombinieren.

Im Artikel enthaltenes Bildmaterial:



„Look Sharp“, 1987, 10 x 15 cm

 

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